Presseartikel Main-Spitze vom 29.01.2010

Liste mit Namen der Opfer aus Bischofsheim existiert bereits

29.01.2010 – BISCHOFSHEIM

HOLOCAUST-GEDENKTAG „Stolperstein“-Kunstprojekt soll auch in der Eisenbahnergemeinde initiiert werden

(uli). Erinnern als Bedingung, um die Zukunft zu gestalten: Hugo Berg (SPD), Vorsitzender der Gemeindevertretung, verwies in seiner Begrüßung zum Holocaust-Gedenktag im „Palazzo“ auf den tagesaktuellen Besuch des israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres und dessen bewegende Rede im Bundestag. Am Mittwoch waren viele Bürger und politische Funktionsträger versammelt, um an die russische Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 zurückzudenken.

Ein besonderes Projekt der Erinnerungsarbeit stellte Rolf Strojec von der „Stolperstein“-Initiative in Rüsselsheim vor. Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt seit Jahren so genannte „Stolpersteine“, Pflastersteine mit einem aufgesetzten Messingschild, das an den Wohnort der Verfolgten, Verschleppten und Ermordeten des Naziregimes erinnert. Alle Opfergruppen, Juden, Homosexuelle, politisch und religiös Andersdenkende, Sinti und Roma sind ebenso erfasst, wie diejenigen, die dem Terror-Regime Widerstand geboten haben. Mit seinen dezentralen Monumenten will Demnig Orte des Erinnerns jenseits von abstrakten Denkmälern in die nachbarschaftliche Nähe holen. Auschwitz war für ihn Ziel- und Endpunkt, menschenverachtender Politik, aber der Anfang des Grauens, das Unfassbare hätte seinen Ursprung mitten unter uns genommen.

Ein bewegender Film von Dörte Frank über die Arbeit des Künstlers zeigte auf, welche verstörende Momente ein so kleiner Stein mit Erinnerungsinschrift auslösen kann. Und das ist auch gewollt, denn die „Stolpersteine“ sollen Gedanken „stolpern“ lassen. Vielleicht auch in die Richtung, dass nicht nur Hitler und seine Gefolgsleute für massenhafte Verbrechen sorgten, sondern das Unfassbare mitten in der Bevölkerung verankert war.

In Rüsselsheim, wo bereits 13 Stolpersteine verlegt sind und nun weitere dazu kommen sollen, haben diese Orte der Trauer unmittelbare Wirkung entfaltet. Viele Geschichten von Opfern konnten durch Erinnerung von Nachbarn genauer recherchiert und Nachfahren aufgespürt werden. Dadurch würde auch der Gefahr begegnet, ein revisionistisches Geschichtsbild zu entwickeln, das die Untaten allein der Nazi-Diktatur zuschiebe. Zutage kämen dabei auch die humanitären Taten, wie die des Rüsselsheimer Handwerkers, der einem Juden zur Flucht verholfen habe.

Bernd Schiffler vom Kulturamt der Gemeinde, der sich auch um das kommunale Archiv kümmert, kündigte an, dass sich in Bischofsheim eine Arbeitsgemeinschaft gründen werde, um eine Verlegung von „Stolpersteinen“ vorzubereiten. Es existiere bereits eine Liste mit Namen von Menschen, die in Bischofsheim lebten, ehe sie Opfer des Nationalsozialismus wurden. Unter anderem lebten hier mehrere hundert Zwangsarbeiter. Einen Gedenkstein gibt es bereits am Marienplatz, und in der Frankfurter Straße werde mit einem kleinen Schild auf den Standort der ehemaligen Synagoge hingewiesen.

Bürgermeister Reinhard Bersch und Gemeindevertretervorsteher Hugo Berg berichteten anschließend von einem gemeinsam mit dem Partnerschaftsverein durchgeführten, offiziellen Besuch des Konzentrationslagers Auschwitz auf Einladung des dortigen Bürgermeisters. Es wurde ein Gedenkstein aus Bischofsheim übergeben, der mit vielen anderen Steinen aus aller Welt einen ,,Hügel der Versöhnung“ bilden soll. Der Basaltstein, der nun das Datum 14. Juni 2009 trägt, stammt aus einem Hof in direkter Nachbarschaft zur ehemaligen Synagoge.

Birgid
Author: Birgid

Schreibe einen Kommentar